Der Sohn eines christlichen Ritters und Adligen auf der spanischen Insel Mallorca Raymund Lull wird "anerkannt von allen Schreibern der Mis-sionsgeschichte als das Hauptverbindungsglied zwischen den Aposteln Nordeuropas und den Führern, die der Reformation folgten" . Man lese die Geschichte des 13. Jahrhunderts in Europa und vergegenwärtige sich die Tage, in denen er lebte. Der Geist der Kreuzzüge ist noch lebendig, der Konflikt zwischen dem Islam und dem christlichen Europa wütet weiterhin. Geschichten von ritterlicher Reinheit leuchten hervor aus einem Hintergrund grober Sinnlichkeit und Lieder voller Hingabe werden geschrieben in einem merkwürdigen Kontrast zu Liedern von schwelgerischen Gelagen. Die Weltmacht Roms ist im Sinken, der allgemeine Zustand der Moral auch bei Priestern und Klerikern ist sehr niedrig, der Aberglaube ist im Schwange, die Inquisition ist im Kommen.
Aus seiner Zeit herausragend, wie eine unerwartete Bergspitze über dem flachen Land steht die Figur dieses Mannes Raymund Lull der den Mut hatte, in Liebe zu glauben, Liebe zu predigen und Liebe zu leben.
Er wuchs auf im Luxus und leichten Leben in dem Glanz des spanischen Hofes. "In der Welt gut bekannt, dem Vergnügen zugewandt, nicht aber Gott". "Er hatte alles, was diese Welt ihm geben konnte: Brillanz, Vielseitigkeit, glänzender Erfolg, war Ritter, Poet, Musiker, Gelehrter, Adliger, Hofmann, galant. So war es bis zu seinem 32. Lebensjahr. Da empfing er eine Vision des gekreuzigten Christus. Im Licht dieses Kreuzes verblaßten die Herrlichkeiten dieser Welt, und eine neue Herrlichkeit kam in sein Leben. Die türkische Frage lag schwer auf seiner Seele, und mit großem Verlangen zu den Türken wünschte er, das Heilige Land zu "erobern". Aber hier gab es seinen Vorschlag, den er mutig der Kreuzzüge betreibenden und die Türken hassenden Kirche vortrug:
" Ich sehe viele Ritter über das Meer zum heiligen Land ziehen, mit dem Gedanken, sie könnten es mit Waffengewalt erlangen, aber am Ende werden alle zerstört, bevor sie erlangen, was sie meinen. Dagegen scheint es mir, daß die Eroberung des heiligen Landes nicht versucht werden sollte, es sei denn, auf die Weise, in der Du und Deine Apostel es erlangten, nämlich durch Liebe und Gebet, durch vergossene Tränen und vergossenes Blut."
Dieser wunderbare Mann war tatsächlich ein höchst moderner Missionar. Er nahm sich 9 Jahre zur Vorbereitung, lernte arabisch, studierte und schrieb über christliche Philosophie, lernte Geographie - eine Pionierleistung 500 Jahre vor den Missionarsstudien des 20.Jahrhunderts. Und all das mit kaum einem Freund, der glaubte, daß sein missionarischer Ruf mehr sei, als ein Stück Fanatismus.
Lange Jahre harten und einsamen Dienstes folgten: Er predigte Moslems, hielt freundschaftliche Diskussionen mit ihnen, schrieb christliche Flugschriften für sie, stand dann vor den Führern der römischen Kirche - Päpsten, Königen, Räten, hielt Vorträge auf Universitäten zugunsten der moslemischen Welt und des neuen Kreuzzuges der Liebe, über alternative Mission und missionarische Sendung . Im Rückblick auf diese Jahre sagte er:
"Ich hatte eine Frau und Kinder, ich war ziemlich reich, ich führte ein weltliches Leben. Auf all dies habe ich gern verzichtet um das allgemeine Wohl voran zu treiben und den Glauben auszubreiten. Ich lernte Arabisch. Ich bin mehrmals ins Ausland gegangen, um den Sarazenen das Evangelium zu verkünden. Um des Glaubens willen kam ich ins Gefängnis und wurde gefoltert. Ich habe 45 Jahre gearbeitet, um die Hirten der Kirche um die Fürsten Europas für das gemeinsame Wohl des Christentums zu gewinnen. Jetzt bin ich alt und arm, aber ich trage noch immer das gleiche Anliegen in mir. Darin will ich verbleiben bis zum Tode, wenn es der Herr erlaubt."
Wie ein junger Mann voll brennenden Ethusiasmusses bereitet er sich im Alter von 56 Jahren auf Afrika vor. Aber ebenso wie ein junger Mann ist er sehr menschlich. Und Lull kommt uns sehr nahe, wenn wir lesen, daß im letzten Moment, als sein Schiff gerade von Genua ablegen wollte, sein Mut fiel und das Schiff ohne ihn fährt. "Die Seelenangst, die er erlitt, bedrückte seinen Leib fast bis zum Tode - so sehr, daß seine Freunde ihn von einem 2. Schiff wegtrugen, in das er sich eingeschifft hatte, weil sie gewiß waren, daß er die Reise nicht überlebt hätte. Als er von einem 3. Schiff hörte, entschloß er sich, nun doch zu fahren. Von dem Moment an - so berichtet er uns - war er ein neuer Mensch.
In Afrika bleibt er zwei Jahre - streitend, gewinnend, die Herde weidend; er wird gefangen genommen, zum Tode verurteilt und schließlich ausgewiesen; aber nur zu neuer Arbeit. Vieles soll sich noch erfüllen in den letzten Jahren seines langen, harten Lebens. Er predigt auf Kreta, er ermutigt die Christen in Armenien, er ist wieder in Afrika, er ist Schiffbrüchiger an der Küste Italiens, dann ist er wieder in Bugia in Nordafrika, wo ihn zuletzt eine rasende Menge wie den Stephanus aus der Stadt herausschleift und ihn am 30. Juni 1315 steinigt.