Introductions - Rede

bei
Einführung des Herrn Pastoris Adiuncti August Friedrich Eisenhardt
in den Kirchen Tastungen und Wehnde den 1. August 1762 gehalten
von

Johann Heinrich Stölting

So groß, so wichtig das Lehr- und Predigtamt ist, so nützlich, so notwendig ist auch dasselbe. Der Beweis davon liegt in dem Begriff der Kirche selbst: Wenn sich mehrere Personen zu einem bestimmten Entzweck (Zweck) vereinigen, so treten sie in eine Gesellschaft. Ist ihr Entzweck nun die Religion oder der Gottesdienst, welchen sie nach ihren Einsichten von dem Wesen, und Vollkommenheiten Gottes einrichten, so wird diese Gesellschaft eine Kirche genannt.

Die Kirche ist also eine freie Gesellschaft derojenigen, welche sich zu einem gemeinschaftlichen Gottesdienst nach der Vorschrift Christi vereinigen. Die Absicht ist also Gott zu dienen und der Kirche folglich, oder welchem der Auftrag geschehen, zu deren Mitteln verbunden, wodurch diese heilige Absicht erreicht werden kann. Diese Mittel sind aber kein gebieterischer Zwang, keine fürchterliche Gewalt, keine blutige Waffe, sondern blos ein lehrender und überzeugender Unterricht, denn die Kirche gründet sich auf die Erkenntnis Gottes und setzet eine innere Überzeugung und Übereinstimmung der Einsichten voraus. Diese Einsichten sind der Grund von dem Urteil, welche wir von den Pflichten füllen, die wir Gott schuldig zu sein glauben. So gewiss aber diese Einsichten durch keine anderen Mittel, als durch die Überzeugung gewirket werden können, so gewiss ist es, daß blos lehren, Vermahnen und bitten die einzigen Waffen und Mittel sind, wodurch die Kirche erhalten, wodurch die Absicht unser eigenes Wohl, die Seeligkeit als der einzige Zweck der Verehrungswürdigste Vorwurf unseres Lebens erreicht wird. Die Kirche muß also Lehrer haben.

Schon in den ersten Jahrhunderten hat man die heilsame Verordnung gemacht, daß in einer jedweden Gesellschaft der Christen einer oder etliche sein musten, welche die Mitglieder unterrichten und lehren konnten, Gott in gehöriger Ordnung zu dienen.

In gleicher Absicht und aus einer dankwürdigen Vorsorge aus einer Vorsorge, welche die edelste, welche die heilsamste ist, hat unsere hohe Kirchen Obrigkeit, die Hochwohlgeborenen Freiherrn von Wintzingerode, Erb- und Gerichtsherren zum Bodenstein und Adelsborn, dem Wohlehrenwerten und Wohlgelehrten Herrn August Friedrich Eisenhardt gebührend berufen und nachdem er im öffentlichen Examine den Beweis seiner Geschicklichkeit abgelegt und der hiesigen Kirchenordnung gemäß die Ordination erhalten, dazu bestätigt, daß er seinen wohlverdienten Herrn Vater, welchen nunmehr das hohe Alter drückt und schwach macht, im Amte beistehen, die Arbeit erleichtern und unser Seelsorger sein solle.

Die itzige (jetzige) Stunde ist dazu ausgesetzt, denselben vor versammelter Gemeinde öffentlich vorzustellen und einzuführen. Diese Gelegenheit scheint mir die Erlaubnis zu geben, zuförderst von den Pflichten der Diener des Evangelii etwas zu reden.

Wir nennen denjenigen einen Würdigen Prediger, der nicht nur alle die Gaben besitzt, die zum Lehramt nötig sind, sondern auch dabei eine natürliche Neigung hat, Gott und seiner anvertrauten Gemeinde zu dienen. Dieser Grundsatz bestimmt die Pflichten eines rechtschaffenen Lehrers. Hat er den Trieb, hat er die Neigung, Tugend und Gottesfurcht zu pflanzen, so muß, so wird er auch diejenigen Mittel wählen, die Erlangung dieser Absicht erforderlich sind.

Die Hauptabsicht des Lehramtes ist überhaupt die Erweiterung des Reichs Christi und die wirkende Übereinstimmung von Gott und göttlichen Dingen. Die Mittel welche zur Erhaltung dieser großen Absicht nötig sind, sind zugleich auch die Pflichten der Diener des Göttlichen Wortes. Sie sind daher verbunden

1) Die Evangelische Lehre lauter und rein vorzutragen. Die Seegensvollen Glaubens-Wahrheiten derselben lebendig vorzutragen und die kräftigen Erinnerungsgründe, welche Gott seinen Wahrheiten beigefüget, rührend einzuschärfen. Entzündet mit heiligen Flammen sollen sie durch eine geistliche Beredsamkeit Herzen und Seelen beleben und ermuntern zum Dienst des Herrn.

2) Sie sind aber auch eben so verpflichtet, die Gottlosen durch die Vorstellung der göttlichen Strafgerechtigkeit zu schrecken. Die irrenden durch ihren lehrenden Unterricht auf den rechten Weg zu führen, vor Irrtümern und Anstößen sorgfältig zu verwahren und vor jede Seele die ihnen anvertraut ist, besonders Sorge zu tragen; damit sie selbige alle zum Himmel führen.
Soll diese so wichtig, als herrliche Absicht erfüllt werden, so sind die Prediger gewiss noch zu besonderen Pflichten verbunden.

Es ist ihnen
3) keine gemeine Beredsamkeit hinlänglich, aber auch nicht solche erforderlich, die in einem stoltzen Wortgepränge, tiefen Gedanken oder seltenen Begriffen besteht, sondern ihre Obligenheit ist, sich eine solche Lehrfähigkeit zu erwerben, welche nach dem Geschmack und Umständen der Zeit eingerichtet, die Zuhörer von der Wahrheit des Vortrages klar und rührend überzeuget.

4) Sie sollen mit Frucht und Nachdruck lehren; mithin ist nötig, daß sie in Ehren und Ansehen stehen bei denen, die sie unterweisen und lehren sollen. Es ist daher unwiedersprechlich ihre besondere Pflicht, sich durch alle erlaubte Mittel und Wege Ansehen und Hochachtung bei ihrer Gemeinde zu erwerben, hingegen alles dasjenige sorgfältig zu vermeiden, was ihnen Geringschätzung, Verachtung oder einen bösen Namen zuziehen kann. Selbst die heilige Schrift giebt ihnen die Vermahnung, wenn sie sagt: laßt euch von niemand verachten.
Doch dies ist nicht genug. Es geschieht oft, daß ein Diener des Evangelii Ehre und Ansehen genug hat, der Entzweck aber doch nicht erreicht wird. Man folgt nicht, man gehorcht nicht. Es muß also wohl noch eine andere Pflicht übrig sein, die ihnen oblieget, wenn sie die Absicht ihres Amtes siegreich erreichen wollen.

Und diese ist
5 ) die Erwerbung der Liebe. Wir gehorchen, wir folgen niemandem hinterher, als den wir lieben. Mit der Liebe steigt, mit der Liebe fällt, mit der Liebe vergeht der Gehorsam. Er ist also schlechterdings nötig, daß ein Prediger dahin trachte, wie er bei seinen Zuhörern Liebe, Neigung und Wohlwollen erhalte. Dieses kann aber nicht anders geschehen, als wenn er die Zuhörer überführet, daß er duch einen unermüdeten und aufrichtigen Fleiß, durch einen wirksamen und ernsthaften Trieb ihre zeitliche, ihre einzige Glückseeligkeit suche.
Denn darin besteht die Liebe. Diese überzeugt die Zuhörer, daß seine Absichten gut und zu ihrem eigenen Wohl, zu ihrem eigenen Heil abzielen. Je größer daher diese Überzeugung ist, je größer wird die Liebe, je größer der Gehorsam, je freier die Folgeleistung. Welche Pflicht ist also dem geistlichen Lehramt wohl gemäßer, welche wichtiger, als die Erwerbung der Liebe.

6 ) Gleich wir aber der Liebe besondere perönliche Eigenschaften und Vollkommenheiten zum voraus setzt, ohne welche sie nicht bestehen kann, so folgt, daß auch Prediger solche Vollkommenheiten besitzen, und durch Tugend und Frömmigkeit sich liebenswürdig und schätzbar machen,
dagegen

7 ) alle diejenigen Handlungen mit Fleiß vermeiden müssen, welche die Liebe schwächen und woraus die Welt einen Verdacht ziehen kann, das ihre Tugend, das ihre Frömmigkeit nicht vollkommen sei.
Nichts dient daher mehr zur Beförderung der Liebe, nichts ist in dieser Absicht reizender (schöner) als ein vorsichtiger, erbaulicher und unsträflicher Wandel. Ruhe, Frieden, Einigkeit soll daher in ihren Häusern wohnen. Sie sollen leuchten im Leben und seien ein Vorbild ihren Zuhörern in Worten, im Wandel.
Kurz : Diener des göttlichen Wortes sollen durch ihr lehrendes Exempel die Gemeinde erbauen und ihr Leben so einrichten, daß man deutlich an ihnen sehe und wahrnehme den Ernst und das Feuer, so in ihrer Seele brennt, nach dem Heil der ihnen anvertrauten Gemeinde. Welcher Lehrer solches tut, wer so lebt, wer so lehrt, wird sich selbst glücklich machen, und die ihn hören.

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Geliebteste Zuhörer!

Ich stell Euch allhier den gegenwärtigen Wohlehren. und Wohlgelehrten Herrn August Friedrich Eisenhardt als die zum adjungierten Priester erwählte Person vor. Seine Gelehrsamkeit, seine Gottesfurcht und eine göttliche Führung hat ihn dieses Amtes würdig gemacht.

Ich übergebe denselben euch, der gegenwärtigen Gemeinde Tastungen / :Wehnde: / im Namen, und auf Befehl sämtlicher Hochwohlgeborener Herrn von Wintzingerode.
Ihnen erinnere ich derjenigen Pflichten, welche mit diesem Amte unzertrennlich verknüpfet sind.

insbesonders
1.) gegen die Hochwohlgeborenen Herrn von Wintzingerode, unsere hohe Kirchen- Obrigkeit, die schuldige Treu und Gehorsam zu erweisen.
2.) die von derenselben vorgeschriebene Kirchen-Ordnung fest und unverbrüchlich zu halten.
3.) Ich empfehle Ihnen, durch Tugend und wahre Gottesfurcht sich ihres geheiligten Amtes würdig zu machen.
4.)Ich empfehle ihnen einen unermüdeten Fleiß, durch den Vortag der reinen evangelischen Lehre, und der großen Wahrheiten unserer geheiligten Religion, die ihnen anvertrauten Seelen zur Tugend, zur Frömmigkeit zu ermuntern.
5.) Ich übergebe ihnen hiermit zum Zeichen den Schlüssel dieses zum Gottesdienst geweihten Gebäudes, und diese Vorschrift, worin die Art des hiesigen Gottesdienstes umständlich erfaßt ist.

Betreten sie nunmehr den wichtigen Lehrstuhl und diese geheiligte Stätte mit weisen und segensvollen Wirkungen. Machen sie sich des Preises Würdig, der denen treuen Seelsorgern im jenem Leben aufbehalten ist. Behalten Sie in immer währenden Andenken die wichtigen Worte, welche der Herr spricht zu den Propheten Ezechiel: " Wenn du den Gottlosen nicht warnest, und er stirbt um seiner Sünde willen, so will ich sein Blut von deinen Händen fordern."

Euch aber geliebteste Zuhörer! Euch ermahne ich, seine heiligen Arbeiten, seine seeligsten Absichten durch Ehrfurcht, durch Aufmerksamkeit zu befördern. Vereinigt eure Seelen, erneuert eure Herzen, verdoppelt eure Andacht, mit seinen Wünschen, mit seinen Lehren. Verschließet eure Herzen nicht vor seinem süßen, vor seinem trostreichen Unterricht, sondern folget seinen heilsamen Ermahnungen, die zu eurem ewigen Heil gereichen. Erkennt seinen wahren Eifer, vergeltet seinen treuen Fleiß mit Liebe und Hochachtung.

Begrüßungsrede

bei Einführung des Herrn Pastor August Friedrich Eisenhardt junior in den Kirchen Tastungen und Wehnde den 1. August 1762 gehalten von
Johann Heinrich Stölting

So groß, so wichtig das Lehr- und Predigtamt ist, so nützlich, so notwendig ist auch dasselbe. Der Beweis dafür liegt in dem Begriff der Kirche selbst: Wenn sich mehrere Personen zu einem bestimmtem Zweck vereinigen, so treten sie in eine Gesellschaft. Ist dieser Zweck nun die Religion oder der Gottesdienst, welchen sie nach ihren Ansichten von dem Wesen und Vollkommenheiten Gottes gestalten, so wird diese Gesellschaft eine Kirche genannt.

Die Kirche ist also eine freie Gesellschaft derjenigen, welche sich zu einem gemeinschaftlichen Gottesdienst nach der Vorschrift Christi treffen. Die Absicht ist also Gott zu dienen. Die Kirche hat folglich den Auftrag diese heilige Absicht mit geeigneten Mitteln zu erreichen. Diese Mittel sind aber kein gebieterischer Zwang, keine fürchterliche Gewalt, keine blutigen Waffen, sondern blos lehrender und überzeugender Unterricht. Denn die Kirche gründet sich auf die Erkenntnis Gottes und setzt eine innere Überzeugung und Übereinstimmung mit den Ansichten voraus. Diese Ansichten sind der Grund für das Urteil, welche von den Pflichten wir erfüllen, die wir Gott schuldig zu sein glauben.

Da aber diese Ansichten durch kein anderes Mittel als durch Überzeugung erreicht werden können, so gewiss ist es, daß blos lehren, ermahnen und bitten die einzigen Waffen und Mittel sind, wodurch die Kirche erhalten, wodurch die Absicht zu unserem eigenen Wohl, die Seeligkeit als größter Sinn unseres Lebens erreicht wird. Die Kirche muß also Lehrer haben.
Schon in den ersten Jahrhunderten hat man Vorkehrungen getroffen, daß in jeder Gesellschaft der Christen einer oder mehrere sein müssen, welche die Mitglieder unterrichten und lehren konnten, Gott zu dienen.

Es folgt die Berufung und Ordination des Pfarrer Eisenhardt als Hilfe für seinen alten und schwachen Vater, durch die Herren von Wintzingerode.

Die jetzige Stunde ist dazu geeignet, denselben vor versammelter Gemeinde öffentlich vorzustellen und einzuführen. Diese Gelegenheit scheint mir die Erlaubnis zu geben, zuerst von den Pflichten der Diener des Evangeliums zu reden.

Wir nennen denjenigen einen Würdigen Prediger, der nicht nur alle die Gaben besitzt, die zum Lehramt nötig sind, sondern auch dabei eine natürliche Neigung hat, Gott und seiner anvertrauten Gemeinde zu dienen. Dieser Grundsatz bestimmt die Pflichten eines rechtschaffenen Lehrers. Hat er den Willen, hat er die Neigung, Tugend und Gottesfurcht zu pflanzen, so muß, so wird er auch diejenigen Mittel wählen, die zur Verwirklichung dieser Absicht erforderlich sind.

Die Hauptabsicht des Lehramtes ist überhaupt die Erweiterung des Reichs Christi und die wirkende Übereinstimmung von Gott und göttlichen Dingen. Die Mittel welche zur Erhaltung dieser großen Absicht nötig sind, sind zugleich auch die Pflichten der Diener des Göttlichen Wortes. Sie sind daher

Verbunden

1) Die Evangelische Lehre unverfälscht vorzutragen. Die Seegensvollen Glaubens-Wahrheiten derselben anschaulich vorzutragen und die kräftigen Erinnerungsgründe, welche Gott seinen Wahrheiten beigefüget, rührend einzuschärfen. Entzündet mit heiligen Flammen sollen sie durch eine geistliche Beredsamkeit Herzen und Seelen beleben und ermuntern zum Dienst des Herrn.

2) Sie sind aber auch eben so verpflichtet, die Gottlosen durch die Vorstellung der göttlichen Strafgerechtigkeit zu schrecken. Die irrenden durch ihren lehrenden Unterricht auf den rechten Weg zu führen, vor Irrtümern und Anstößen sorgfältig zu verwahren und vor jede Seele die ihnen anvertraut ist, besonders Sorge zu tragen; damit sie selbige alle zum Himmel führen.

Soll diese so wichtig, als herrliche Absicht erfüllt werden, so sind die Prediger gewiss noch zu besonderen Pflichten verbunden.